Okay, das klingt nach einem großen Commitment.
Die Motivation für den Ausbau des Medizintechnik- Geschäfts ist bei uns im Haus sehr groß und reicht vom Vorstand bis zu den operativen Mitarbeitern. Wir verfolgen den Ausbau sehr konsequent – ein bisschen Medizin geht nicht.
Sie gehen von großem Wachstum im Bereich der Medikamentenverabreichungssysteme und Diagnostik aus. Wie kommt es dazu?
Der weltweite Bedarf an Medizinprodukten wächst jährlich um 5 %. Gründe dafür sind unter anderem das anhaltende Wachstum der Weltbevölkerung, die höhere Lebenserwartung und ein gestiegener Lebensstandard. Heute gibt es weltweit ca. 380 Mio. Diabetiker, in einigen Jahren werden es rund 500 Mio. sein.
Dann nehmen wir doch einen Autoinjektor für spezielle Medikamente oder Insulin als Produktbeispiel. Erklären Sie uns einen typischen Projektverlauf im Hause OECHSLER.
Ein gutes Beispiel. Autoinjektoren liegen absolut im Trend und sind ein sehr stark regulierter und von Patenten belegter Bereich. Jeder große Pharmazeut setzt hier am liebsten auf sein eigenes System, kauft jedoch auch bei OEMs ein, was mit Lizenz- gebühren verbunden ist. Da gibt es Patente für die Herstellungsprozesse oder Patente auf die Funktionalitäten der Geräte … Unser erster Schritt ist deshalb in der Regel eine Recherche der bereits vorhandenen Patente. Wir klären dann mit und für unseren Kunden, sei es Pharmazeut oder OEM im Falle einer Neuentwicklung, was wir überhaupt bauen dürfen.
Was bringe ich als Kunde mit, wenn Sie so ein System für mich entwickeln?
Es reicht eigentlich die Grundidee. Die Autoinjektoren bestehen immer aus ähnlichen Bauteilen: Es gibt eine Kanüle, hinter der ein Druckknopf sitzt, der von einer starken Feder ausgelöst wird. Wir entwickeln dann ein Konzept wie einen Baukasten, der medikamentenunabhängig ist.
Wie lange dauert es bis zu den ersten Entwürfen?
Bis zu den ersten Vorschlägen ist es ein iterativer Prozess, der einige Wochen dauern kann. Dann werden die ersten Teile für Engineering-Tests gedruckt. Parallel werden CAD-Modelle aufgesetzt, Toleranzanalysen entwickelt und das Ausfallrisiko berechnet.
Wo liegen die größten Herausforderungen bei der Entwicklung?
Der größte Fehler wäre z.B., wenn das Gerät nicht auslöst oder ungenau dosiert. Wir müssen dafür sorgen, dass das System 100 Prozent zuverlässig arbeitet. Außerdem darf der Patient sich nach dem Gebrauch nicht an der Nadel verletzen.
Welche Rolle spielt der Werkzeugbau in der Entstehungsphase?
Im ersten Schritt prüfen wir, wie sich ein bestimmtes Bauteil produzieren lässt. Unsere Ingenieure im Werkzeugbau achten dabei insbesondere auf die Skalierbarkeit. Es ist ein riesiger Unterschied, ob ein Produkt im Anschluss in einer Stückzahl von 400 000 per Hand montiert wird – oder ob voll- automatisiert 40 Mio. Stück gefertigt werden.
Ist Nachhaltigkeit ein Thema für Sie?
Ein sehr wichtiges. Wir denken in verschiedene Richtungen: Zum einen arbeiten wir daran, bei der Produktion CO2 zu reduzieren. An unserem Standort in Mexiko wird über 35 Prozent des Strombedarfs mit Solarenergie abgedeckt. Zum anderen errechnen wir aber auch den CO2-Fußabdruck des Produkts und bieten Beratungsleistungen an, wie das Produkt durch Nutzung nachhaltiger Materialien CO2-optimiert werden kann.
Wie steht es um den Einsatz von Rezyklaten? Ist das überhaupt zulässig im Medical-Bereich?
Sobald kein Kontakt zum Medikament oder zu sensiblen Bereichen des Patienten besteht, diskutieren wir über alternative Materialien. Da gibt es erste Trends. Aber natürlich produzieren wir Einmalprodukte. Wir wollen in der Branche gemeinsam dafür sorgen, dass die Kreislaufströme geschlossen und die Produkte nach der Verwendung recycelt werden.