Welche Trends siehst du im Bereich Fahrzeugintegration und Abdeckung von Radarsensoren?
Vor allem im Nutzfahrzeugbereich ist eine Beheizung des Radoms essenziell. Lkw und andere Fahrzeuge, die unter extremen Wetterbedingungen unterwegs sind, benötigen eine zuverlässige Lösung, damit der Radar nicht durch Schnee oder Frost beeinträchtigt wird.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Funktionalität der Abdeckung. Bisher wird primär darauf geachtet, dass die Elektronik geschützt ist – doch die Materialwahl und das Design haben direkten Einfluss auf die Radar-Performance. Die Durchdringung der Radarwellen durch Kunststoff ist ein Faktor, der oft noch zu wenig Beachtung bei Entwicklern findet.
Mit steigendem Kostendruck und wachsender Sensordichte in Fahrzeugen wird es immer wichtiger, Leistung und Effizienz zu optimieren. Das bedeutet, dass künftig nicht nur Heizung, sondern auch andere Funktionen in das Radarumfeld integriert werden – sei es zur besseren Signalübertragung oder zur Reduzierung von Kosten und Baukomplexität.
Ein hochauflösender Radar mit hervorragender Performance verliert an Leistung, wenn er hinter einer Kunststoffabdeckung verbaut wird, die die Signale dämpft. Wie groß ist dieser Einfluss, und welche Möglichkeiten gibt es, die Performanceverluste zu minimieren?
Die Abdeckung – sei es das Radom oder eine darüberliegende Kunststoffschicht – hat einen erheblichen Einfluss auf die Radar-Performance. Jede Dämpfung oder Verzerrung durch Material, Form oder Oberflächenbeschaffenheit führt zu Signalverlusten, die ausgeglichen werden müssen.
Ein oft unterschätzter Faktor ist die Biegung und Struktur der Abdeckung. Je ungünstiger das Design, desto mehr Leistung muss der Radar selbst aufbringen, um die gleichen Ergebnisse zu erzielen. Das bedeutet, dass eine suboptimale Material- oder Designwahl letztlich die Kosten erhöht, da eine stärkere Signalverarbeitung oder leistungsfähigere Hardware nötig wird.
Die clevere Lösung ist, bereits auf Komponentenebene also beispielsweise Radom und Antenne anzusetzen und diese zu optimieren. Wenn diese Elemente verlustarm gestaltet sind, muss Elektronik, Software, etc. – nicht übermäßig hochgerüstet werden. Das Performance-Argument ist daher immer auch ein Kostenargument: Je besser das Zusammenspiel von Materialien und Design, desto effizienter und wirtschaftlicher lässt sich das Gesamtsystem realisieren.
Die Anzahl der Radarsensoren steigt, und damit wächst auch der Kostendruck auf die Systeme. Waveguide-Antennen versprechen sowohl eine Systemkostenreduktion als auch eine bessere Performance. Wie schätzt du die Entwicklung dieser Technologie ein? Wird sie sich breit durchsetzen?
Im Marktgespräch zeigt sich: Nahezu alle relevanten Akteure – ob Kunden, Chip-Hersteller oder Automobilzulieferer – gehen davon aus, dass ein Großteil der Radarsensoren in Zukunft mit Hohlleiterantennen ausgestattet sein wird.
Aktuell macht diese Technologie noch weniger als 30 % des Marktes aus. In den nächsten Jahren dürfte der Anteil bei weit über 50 % liegen, und bis 2030 könnte sie die Radarsysteme vollkommen durchdringen. Allerdings sind Entwicklungszyklen in der Automobilindustrie lang, sodass die Einführung etwas Zeit braucht. Trotzdem steht für mich außer Frage: Waveguide-Antennen werden in der Radar-Sensorik eine zentrale Rolle spielen und den Markt nachhaltig verändern.
Viele Unternehmen konzentrieren sich dabei auf das Design der Antennen. Was oft untergeht, ist die komplexe Prozesskette der Fertigung – besonders unter dem hohen Volumen- und Qualitätsdruck in der Automobilindustrie. Wie schätzt du die Herausforderungen in der Produktion ein?
Ich habe mich in den letzten sechs bis sieben Monaten intensiv mit diesem Thema beschäftigt, und mein Eindruck ist: Die Branche steht noch am Anfang.
Zwar erkennen alle Beteiligten die Vorteile von Waveguide Lösungen, doch das Wissen über die richtige Prozesskette und die Skalierung der Produktion ist sehr unterschiedlich ausgeprägt.
Selbst große Hersteller können nicht von heute auf morgen die industrielle Fertigung solcher komplexen Komponenten umsetzen, weil sie weit außerhalb ihrer Kernkompetenz liegt. Firmen mit spezialisierter Produktionskapazität, wie OECHSLER, haben hier einen klaren Vorsprung.
Ein weiteres großes Problem ist die fehlende Industrialisierungskapazität. Auch ein führender Chiphersteller mit einem umfassenden Marktüberblick sieht aktuell keine ausreichenden Produktionskapazitäten für die Skalierung neuer Radartechnologien. Das zeigt, dass der Markt zwar enorme Potenziale bietet, aber erst die richtige Fertigungsstrategie entwickelt werden muss, um diese Technologien massentauglich zu machen.
Wie wichtig ist es, neue Wege zu finden, um funktionale Prototypen schneller und kosteneffizient zu entwickeln?
Das ist ein entscheidender Punkt. Die Entwicklung von Hochleistungssystemen kommt heute nicht primär von den großen Automobilzulieferern, sondern von innovativen, kleineren Unternehmen. Diese haben oft nicht die finanziellen Mittel, um direkt in teure Werkzeuge zu investieren, die 50.000 Euro oder mehr kosten.
Gerade in der frühen Entwicklungsphase durchlaufen Radarsysteme viele Design-Iterationen. Doch wenn jedes Prototypen-Werkzeug Wochen an Fertigungszeit benötigt und hohe Kosten verursacht, verlangsamt das den gesamten Innovationsprozess erheblich.
Ein Kunde hat es kürzlich auf den Punkt gebracht: „Wir hatten mehrere Designs, konnten aber keines testen, weil wir nicht wussten, wie wir es bauen sollten.“ In solchen Fällen greifen viele Unternehmen auf Fräsverfahren zurück – nicht, weil sie optimal sind, sondern weil sie leicht umsetzbar sind.
Hier kommt werkzeuglose Fertigung ins Spiel. Wenn es möglich wäre, funktionale Prototypen direkt aus Kunststoff mittels Rapid Prototyping zu erzeugen, könnte das die Entwicklung beschleunigen und die Kosten erheblich senken. Das würde es kleineren Unternehmen ermöglichen, schneller zur Validierung zu gelangen, ohne von traditionellen Fertigungsprozessen ausgebremst zu werden. Dieser Ansatz ist sehr spannend, um Innovationen effizient und bezahlbar auf den Markt zu bringen.
Laut verschiedenen Schätzungen wird erwartet, dass bis 2030 weltweit etwa 300 Millionen Fahrzeuge mit ADAS (Advanced Driver Assistance Systems)-Funktionen ausgestattet sein werden. Wie wird sich der Markt für Radarsensoren in den nächsten Jahren entwickeln, und welche Rolle spielt Radar im Vergleich zu anderen Sensortechnologien?
Die Automobilindustrie ist sich weitgehend einig: In der Zukunft wird ein typisches Fahrzeug etwa 6 bis 8 Radar-Sensoren haben. Das bedeutet eine massive Steigerung der Nachfrage nach Radartechnologie. Bisher haben etwa 70 % der Neufahrzeuge einen Front-Radar, aber nur 40 % sind mit Radarsensoren zur Seite ausgestattet. Diese Zahlen werden sich mit zunehmender Automatisierung drastisch erhöhen.
Mit Blick auf die jährliche Fahrzeugproduktion und die Sensorverteilung ist die Marktmeinung: Der Radar-Markt wird sich in den nächsten fünf Jahren mindestens verdoppeln. Ich glaube, der Markt wird sogar noch stärker wachsen, da derzeit auch in den Bereich Autonomie wieder Bewegung kommt. Je höher das Automatisierungsniveau, desto mehr Sensoren sind erforderlich. Das bedeutet nicht nur eine größere Stückzahl, sondern auch eine kontinuierliche Verbesserung der Sensortechnologie.
Welche Auswirkungen haben die aktuellen Entwicklungen im Bereich des autonomen Fahrens auf den Markt für Sensorik und insbesondere für Radar-Technologie?
Ein Gamechanger für die Branche ist der Fortschritt beim vollautonomen Fahren. Waymo, das führende Unternehmen im autonomen Fahren, führt bereits 200.000 voll bezahlte autonome Fahrten pro Woche durch. Mitte März gab es eine entscheidende Entwicklung: Uber hat angekündigt, in mehreren US-Städten den vollständig autonomen Waymo Service anzubieten. Uber führt in Nord Amerika etwa 110 Millionen Fahrten pro Woche durch. Das ist ein gewaltiger Schritt für die gesamte Branche. Das bedeutet, der Markt wird explodieren. Das wird dem Markt den Impuls geben, der in den letzten Jahren fehlte.
Diese Entwicklungen werden nicht nur die Nachfrage nach Sensoren antreiben, sondern auch den Druck erhöhen, leistungsfähigere und robustere Sensorlösungen zu entwickeln.
Der Markt für ADAS und Radar steht vor einem Boom. Die zunehmende Einführung autonomer Fahrfunktionen wird ihn in den nächsten Jahren revolutionieren. Mit einer rasant steigenden Nachfrage nach Radar – sowohl in Mengen als auch in technologischer Weiterentwicklung – stehen wir vor einem gewaltigen Wachstumsschub. Wer heute in Sensorik investiert, wird in den nächsten Jahren von einer enormen Marktdynamik profitieren.